Psychologische Sicherheit spielt eine entscheidende Rolle in der Führungskultur eines Unternehmens. Es beschreibt die Atmosphäre, in der Individuen frei von Befürchtungen sind, ihre Gedanken und Ideen offen zu äußern. Diese offene Kommunikation fördert konstruktive Kritik, gemeinsames Lernen und kooperatives Arbeiten innerhalb des Teams. Psychologische Sicherheit ist eng mit Vertrauen, Empathie und Respekt verbunden und schafft somit eine positive Arbeitsumgebung. Doch warum ist psychologische Sicherheit so wichtig – und wie können Führungskräfte sie aktiv fördern? Dieser Artikel gibt einen Einblick und geht auf besondere Herausforderungen in Hochschulen ein, die die Schaffung eines psychologisch sicheren Arbeitsumfeldes erschweren können.
Was ist psychologische Sicherheit?
Psychologische Sicherheit beschreibt eine Arbeitsatmosphäre, in der sich Mitarbeiter:innen frei fühlen, ihre Haltungen zu leben, Meinungen zu äußern, Fehler zuzugeben und Ideen vorzubringen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Sie ist eine entscheidende Voraussetzung der wissenschaftlichen Arbeit in ihrem eigentlich Sinne, für Innovation, Zusammenarbeit und den langfristigen Erfolg von Teams. Studien haben gezeigt, dass Teams, die psychologische Sicherheit erleben, kreativer, produktiver und widerstandsfähiger gegenüber Stress und Veränderungen sind.
In einem psychologisch sicheren Umfeld haben Mitarbeiter:innen keine Angst vor Zurückweisung oder Sanktionen, wenn sie ihre Vorschläge teilen. Sie wissen, dass ihre Beiträge geschätzt und respektiert werden, gleichwohl sie natürlich diskutiert und respektvoll kritisiert werden können. Dies fördert nicht nur eine offene Kommunikation, sondern auch das Vertrauen unter den Teammitgliedern.
Warum ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz so wichtig?
Psychologische Sicherheit schafft die Grundlage für eine Kultur der offenen Kommunikation und des Lernens. Sie ermöglicht es den Mitarbeiter:innen, ohne Angst vor Fehlern oder Rückschlägen zu arbeiten. Fehler werden nicht als Versagen betrachtet, sondern als Lernchance, was eine konstruktive Feedback-Kultur fördert. Ehe Sie Einwände erheben: Erfahrungsgemäß kommt es so gut wie nie vor, dass eine solche Organisationskultur zu Nachlässigkeit führt!
Führungskräfte, die psychologische Sicherheit aktiv fördern, schaffen ein Umfeld, in dem Mitarbeiter:innen nicht nur ihre besten Ideen einbringen, sondern auch Risiken eingehen, neue Wege ausprobieren und kreativ sein können. Dies ist besonders in innovativen Bereichen wichtig, in denen Versuche und Fehler Teil des Entwicklungsprozesses sind. Darüber hinaus erhöht psychologische Sicherheit die Zufriedenheit und das Engagement, was sich langfristig positiv auf die gesamte Organisation auswirkt.
Herausforderungen für psychologische Sicherheit an Hochschulen
In Hochschulen gibt es spezielle Arbeitsbedingungen, die die Schaffung von psychologischer Sicherheit erschweren können. Diese Bedingungen untergraben oft das Vertrauen und die Offenheit, die für eine effektive Zusammenarbeit und Innovation so wichtig sind:
Befristete Verträge und Unsicherheiten: In vielen Hochschulteams arbeiten wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und auch Angehörige des Wissenschaftsmanagements unter befristeten Verträgen. Diese unsicheren Arbeitsverhältnisse schaffen ein Klima der Angst und Unsicherheit. Mitarbeiter:innen fürchten um ihre Vertragsverlängerung oder termingerechte Qualifikation, was sie davon abhält, Risiken einzugehen oder Fehler zuzugeben. Stattdessen herrscht oft ein hohes Anpassungsbedürfnis, um im System zu bleiben.
Keine klare Trennung von Vorgesetzten und Prüfenden: In Hochschulen nehmen Professor:innen oft eine doppelte Rolle ein: Sie sind sowohl Vorgesetzte als auch Prüfende der Promovierenden, Mitglieder der Kommission für Tenure-Verfahren und Berufungen. Diese Rollenvermischung führt zu einem Ungleichgewicht im Machtverhältnis und schafft Unsicherheiten. Mitarbeiter:innen zögern, Kritik oder Bedenken zu äußern, da dies ihre akademische Laufbahn gefährden könnte.
Intransparente Prozesse und Entscheidungen: Häufig werden Entscheidungen in Hochschulen intransparent getroffen, was das Vertrauen in die Institution und die Führung untergräbt. Mitarbeiter fühlen sich von wichtigen Informationen ausgeschlossen und können die Gründe hinter Entscheidungen oft nicht nachvollziehen. Dies fördert Misstrauen und sorgt dafür, dass sich Teammitglieder zurückziehen.
Mangel an klaren Aufstiegschancen trotz Qualifikation: Auch in Fällen, in denen wissenschaftliche Mitarbeiter über herausragende Qualifikationen und exzellente Forschungsergebnisse verfügen, gibt es in vielen Hochschulen keine zuverlässigen Aufstiegschancen. Dieser Mangel an Perspektive sorgt für Frustration und Resignation und untergräbt das Gefühl psychologischer Sicherheit. Mitarbeiter:innen sind demotiviert, ihre vollen Fähigkeiten einzusetzen, da der Nutzen für ihre Karriereentwicklung unklar bleibt und sie frühzeitig nach Anschlussoptionen suchen müssen.
Wie können Führungskräfte trotz der Herausforderungen psychologische Sicherheit schaffen?
Trotz der besonderen Herausforderungen in Hochschulen können Führungskräfte gezielte Maßnahmen ergreifen, um psychologische Sicherheit in ihren Teams zu fördern. Es bedarf eines bewussten, kontinuierlichen Einsatzes, um ein vertrauensvolles Arbeitsklima zu schaffen, das trotz struktureller Unsicherheiten gedeihen kann.
Offene und regelmäßige Kommunikation: In einem Umfeld, das durch Unsicherheiten geprägt ist, ist es besonders wichtig, eine transparente und regelmäßige Kommunikation zu etablieren. Führungskräfte sollten aktiv auf ihre Mitarbeiter:innen zugehen und offene Gespräche fördern, um Ängste und Unsicherheiten anzusprechen. Regelmäßige Team- und Einzelgespräche helfen, den Informationsfluss zu verbessern und das Vertrauen in die Führung zu stärken.
Rollen und Erwartungen klar trennen: Um das Machtungleichgewicht zwischen der Rolle als Vorgesetzte und Prüfende zu mindern, sollten Führungskräfte klare Trennlinien ziehen. Sie können dafür sorgen, dass akademische Beurteilungen und Leistungsbewertungen so transparent und objektiv wie möglich erfolgen, um Vorwürfen der Befangenheit entgegenzuwirken. Es sollte auch offen darüber kommuniziert werden, wie Leistungsbewertungen zustande kommen, um Vertrauen in den Prozess zu schaffen. Abgesehen davon gibt es auch Modelle, die diese Rollenverquickung abschaffen.
Unterstützung trotz befristeter Verträge bieten: Auch wenn Verträge befristet sind, können Führungskräfte Unterstützung bieten, indem sie langfristige Perspektiven aufzeigen und den Karriereweg aktiv begleiten. Indem sie ihren Mitarbeiter:innen Möglichkeiten zur Weiterbildung, Netzwerkbildung und wissenschaftlichen Publikationen bieten, signalisieren sie, dass sie ernst genommen werden, auch wenn die Vertragsdauer begrenzt ist. Eine offene Kommunikation über Karrierechancen kann Unsicherheiten lindern und das Gefühl von Sicherheit und Unterstützung verstärken.
Transparenz in Entscheidungsprozessen herstellen: Intransparente Entscheidungen sind häufig ein Grund für Misstrauen in Hochschulen. Führungskräfte sollten sich bemühen, Entscheidungsprozesse so offen wie möglich zu gestalten. Wo immer möglich, sollten rationale Gründe für Entscheidungen klar kommuniziert werden. Führungskräfte können auch den Dialog fördern, indem sie Feedback zu wichtigen Entscheidungen einholen und Mitarbeiter:innen aktiv in Entscheidungsprozesse einbinden.
Wertschätzung unabhängig von Aufstiegsmöglichkeiten zeigen: Auch wenn nicht alle eine klare Aufstiegsperspektive in der Hochschule haben, können Führungskräfte durch kontinuierliche Anerkennung und Wertschätzung für die geleistete Arbeit das Vertrauen stärken. Sie sollten regelmäßig Feedback geben und Erfolge öffentlich anerkennen.
Fehler als Lernchancen etablieren: Hochschulen sind Umgebungen, in denen wissenschaftliche Exzellenz gefordert wird, was den Druck auf Fehlervermeidung erhöht. Führungskräfte sollten daher eine Fehlerkultur etablieren, in der Fehler nicht als Versagen, sondern als Lernmöglichkeit gesehen werden. Wenn Mitarbeiter:innen wissen, dass Fehler dazugehören und kein Risiko für ihre Karriere darstellen, werden sie sich eher trauen, Risiken einzugehen und eigenständige Lösungen vorzuschlagen.
Fazit: Psychologische Sicherheit auch in herausfordernden Hochsculfeldern schaffen
Führungskräfte in Hochschulen müssen angesichts struktureller Unsicherheiten zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um psychologische Sicherheit zu fördern. Durch transparente Kommunikation, klare Trennung von Rollen, Unterstützung bei der Karriereentwicklung und das Etablieren einer positiven Fehlerkultur können sie ein Umfeld schaffen, in dem sich Mitarbeiter:innen trotz der Herausforderungen sicher und wertgeschätzt fühlen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, das Vertrauen zu stärken und die Innovationskraft der wissenschaftlichen Arbeit zu fördern.
Weiterlesen:
Hertling, S. 2022: Was hilft Menschen und Organisationen, um in der Transformation wirksam zu bleiben? Kontakt- und Beziehungskompetenz. RKW Kompetenzzentrum.
Zbinden, M., 2022: Menschlichkeit in der Führung. Mitarbeitende und Organisationen authentisch und erfolgreich führen. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler.
Edmondson, A.C., 2021: Die angstfreie Organisation. Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen. München: Verlag Franz Vahlen.
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